Entwicklung und Zukunft der Drehmomentmesstechnik
von Dr. Wilfried Krimmel
1. DMS-Messtechnik
Die geschichtliche Entwicklung der Drehmomentmesstechnik beginnt mit dem Jahr 1678. In diesem Jahr hat Robert Hooke die Proportionalität zwischen der Materialdehnung und der zugehörigen Materialspannung in dem bekannten Hookeschen Gesetz beschrieben.
- Wheatstone'sche Brückenschaltung
Für den weiteren Entwicklungsgang hat erst das Jahr 1833 wieder eine Bedeutung, damals wurde von Hunter Christie die Brückenschaltung beschrieben, mit welcher kleinste Spannungsänderungen gemessen werden können. Trotzdem, dass die Schaltung später den Namen des zweiten Erfinders Wheatstone erhielt, gehört Hunter Christie der eigentliche Ruhm.
Thomson der später Lord Kelvin hieß (nach ihm wurde die Temperaturskala benannt), entdeckte 1856 den Zusammenhang zwischen mechanischer Dehnung ε eines Widerstandsdrahtes und seiner Widerstandsänderung.
Danach gab es immer wieder Experimente mit Widerstandsdrähten. z.B. experimentiert Nernst 1917 mit ihnen, um Druckmessungen am Verbrennungsmotor durchzuführen. Bis zum ersten Modell eines frei applizierbaren Dehnungsmessstreifens hat es aber noch bis 1938 gedauert. Damals wurde von Prof. A. C. Ruge der erste Dehnungsmessstreifen entwickelt. Bereits 3 Jahre später waren dann die ersten industriell hergestellten Draht-DMS am Markt verfügbar, welche sich sehr schnell verbreiteten. Für den Durchbruch der industriell gefertigten DMS-Sensoren sorgte der 1952 auf den Markt gekommene Folien-Dehnungsmessstreifen. Er wurde aus mit Widerstandsmaterial beschichteten Folien geätzt. Auf diese Weise werden auch heutige Dehnungsmesssteifen hergestellt. Noch im gleichen Jahr wurden die ersten Folien-DMS zur Drehmomentmessung angeboten. Damit konnten stationäre DMS-Drehmomentsensoren hergestellt werden. Diese Sensoren halfen viele Probleme in Entwicklung und Versuch mittels Reaktionsmomentmessung zu lösen. Der Wichtigste und auch häufigste Einsatz für Drehmomentsensoren sind aber Messungen im rotierenden Wellenstrang. Hier dauerte die Entwicklung noch einige Jahre um einsatzfähige DMS-Drehmomentsensoren auf dem Markt anbieten zu können.
- Prinzip für winkelmessenden Drehmomentsensor
2. Erste rotierende Drehmomentsensoren
Wird eine Welle unter einem axialen Drehmoment belastet, so verdreht sie sich um einen zum Drehmoment proportionalen Winkel. Dieser Winkel kann mit einem Winkelmesssystem gemessen werden. Nach diesem Prinzip wurden bereits kurz nach 1945 die ersten rotierenden Drehmomentsensoren mit induktivem Messsystem hergestellt und auf dem Markt angeboten. Zur Speisung des Sensors wurden Trägerfrequenzen von einigen hundert kHz verwendet. Damit waren die notwendigen Spulensysteme klein. Die Amplitude des Wechselspannung- Messsignals war proportional zum Verdrehwinkel des Messsystems und hatte die gleiche Frequenz wie die Speisespannung.
Zur Speisung des auf der rotierenden Welle angeordneten Messsystems und zur Übertragung des amplitudenmodulierten Messsignals wurden Drehübertrager eingesetzt, welche nach dem Prinzip eines Transformators aufgebaut waren. Eine Spule des Transformators ist im Stator befestigt, die zweite ist konzentrisch zur ersten Spule auf dem Rotor angeordnet. Werden amplitudenmodulierte Messsignale über diese Art Drehübertrager übertragen, so geht deren Koppelfaktor direkt in das Messergebnis ein. Durch axiale oder radiale Verschiebungen, unrunden Lauf, Änderungen der magnetischen Materialeigenschaften und durch magnetische Nebenschlüsse können Messfehler auftreten.
- Prinzipskizze für Transformatordrehüberträger
Die erste Übertragung der Messsignale einer DMS-Brücke, welche auf einer rotierenden Welle appliziert war, wurde mit Schleifringen im Jahre 1952 durchgeführt.
Die Übertragung der Speisespannung und der Ausgangsspannung durch Schleifringe erfordert eine gewisse Sorgfalt. Die Schleifringe müssen sowohl von der Welle, als auch voneinander isoliert werden, schon kleinste Isolationsfehler können beträchtliche Messfehler verursachen. Der Anpressdruck der Schleifkontakte muss so gewählt werden, dass einerseits ein möglichst kleiner Übergangswiderstand, genügende Sicherheit gegen Abheben infolge Erschütterungen und Unrundheit der Schleifringe vorhanden ist, aber auch andererseits keine zu starke Erwärmung und zu starker Verschleiß auftritt. Entscheidend ist neben der Materialauswahl auch eine sorgfältige Bearbeitung der Oberflächen.
Besondere Schwierigkeiten sind bei hohen Umfangsgeschwindigkeiten zu erwarten. Manche Aufnehmer sind mit Abhebevorrichtungen für die Bürsten ausgerüstet, die nur zur Messung aufgesetzt werden. Nachteil dieser Technik ist es, dass sowohl die Schleifringe als auch Kohlebürsten sich nach einiger Zeit abnützen und somit erneuert werden müssen.
- Schnittbild durch Schleifringaufnehmer
Um einen Sensor mit stabilerer und wartungsfreier Signalübertragung zu erhalten, wurde ein Drehmomentsensor entwickelt, der eine schleifringlose Übertragung der Messsignale einer DMS-Brücke ermöglicht. Durch eine Wechselspannungsspeisung der Brücke erhält man an ihrem Ausgang eine zum Drehmoment proportionale amplitudenmodulierte Wechselspannung. Sowohl die zur Speisung der DMS-Brücke notwendige Wechselspannung, als auch das Messsignal können über Transformatordrehübertrager übertragen werden.
Damit konnte der Siegeszug der rotierenden Drehmomentsensoren auf DMS-Basis nicht mehr aufgehalten werden.
- Blockschaltbild für rotierenden Aufnehmer mit Wechselstromspeisung
Mit der immer kleiner werdenden Elektronik wurde es dann 1971 möglich, einen Messverstärker auf die rotierende Welle zu integrieren, welche zur Versorgung der DMS-Brücke und zur Aufbereitung des Messsignals diente. Ein Transformator-Drehübertrager diente zur Versorgung des Messwertgebers, der zweite zur frequenzmodulierten Übertragung des Messsignals.
Die DMS-Technologie wurde in der Zwischenzeit ebenfalls weiterentwickelt. Heute werden die Sensoren sowohl temperaturkompensiert als auch kriechkompensiert hergestellt. Der große Vorteil der DMS-Technologie besteht darin, dass direkt an der Messstelle die Kompensation der Störgrößen durchgeführt werden kann. Die Temperaturabhängigkeit des Elastizitätsmoduls der verwendeten Werkstoffe beträgt z.B. bei Stahl ca. 3% pro 100K Temperaturänderung. Da diese Störgröße direkt in den Kennwert des Sensors eingeht, muss sie auch entsprechend kompensiert werden.
Bei winkelmessenden Sensoren wird, wenn überhaupt, erst im Messverstärker eine Kompensation durchgeführt, so dass immer mit einem Temperaturverhalten des Kennwertes zu rechnen ist. Winkelmessende Sensoren haben weiter mit dem Problem zu kämpfen, dass sie relativ große Verdrehwinkel zur Messung des Drehmomentes benötigen, was zu torsionsweichen Anordnungen führt, die nur langsame Messvorgänge erlauben.
Durch die immer kleiner werdenden Elektroniken und die damit immer weiter verbesserten Übertragungsmöglichkeiten der Messsignale hat sich das Bild am Markt der Drehmomentsensoren dahingehend gewandelt, dass viele Drehmomentsensoren heute mit integriertem Messverstärker geliefert werden.
- Moderner Drehmomentsensor mit integrierter Elektronik
3. Moderne rotierende Drehmomentsensoren
Die ersten Drehmomentsensoren hatten in der Regel analoge Signalausgänge. Bei diesen Schnittstellen sind Störungen durch benachbarte Leistungsteile und Antriebe, besonders bei langer Zuleitung und hoher Dynamik, nicht auszuschließen. In der Vergangenheit wurde aus diesem Grund der Signalpegel des Sensors erhöht, üblich sind Signalpegel von ±5V bzw. ±10V. Jedoch ist für viele Anwendungen die Störfestigkeit nicht ausreichend. Die Lösung liegt in einer digitalen Sensorelektronik, deren prinzipieller mechanischer Aufbau im folgenden Schnittbild dargestellt ist.
Auf der Welle befindet sich eine im Durchmesser verjüngte Stelle, auf welche die Dehnungsmessstreifenbrücke appliziert ist. Auf der Welle ist auch der rotierende Teil des Transformatordrehübertragers und die rotierende Elektronik befestigt. Im Gehäuse befindet sich der stationäre Teil des Drehübertragers und eine weitere Elektronik. Zum Anschluss des Sensors ist im Gehäuse noch ein Stecker untergebracht.
Die integrierte Elektronik hat sowohl im Stator als auch im Rotor einen Mikroprozessor mit einem zugehörigen Speicher. Die Messwertaufnahme erfolgt auf dem Rotor mittels Dehnmessstreifen, dort wird das Signal sofort verstärkt und digitalisiert. Dieses digitale Signal gelangt anschließend in einen Prozessor, der das Signal zur Übertragung in Form eines seriellen Wortes mit Checksumme auf den Stator vorbereitet. Im Stator wird das Datensignal aufbereitet und anschließend in einem Prozessor für eine serielle RS 485 Schnittstelle umgesetzt.
Durch die Verwendung von Prozessoren können sowohl auf der Welle, als auch im Stator Daten wie Seriennummer, Kalibrierwerte, Messbereich, Kalibrierdatum usw. abgespeichert werden, die dann auf Anforderung ausgelesen werden können.
Die Speisung des Sensors erfolgt mittels einer vom Prozessor überwachten Versorgungseinheit, welche auch eine Kalibrierkontrolle zur Überprüfung des Sensors aufschalten kann. Durch die Digitalisierung des Messsignals direkt am Entstehungsort und die Abspeicherung und Auslesung von Sensordaten wird eine sehr hohe Betriebssicherheit der Messeinrichtung erreicht.
Blockschaltbild für eine digitale Messsignalübertragung mit integrierten Prozessoren:
4. Einsatzgebiete für Drehmomentsensoren
Drehmomentsensoren sind heute aus vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken. Hier eine kleine Auswahl der Einsatzgebiete.
Ausbildung | Entwickung, Versuch | Produktion, Qualitätssicherung, Produktüberwachung | Sonstige Anwendungen |
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Elektromotor
Verbrennungsmotor
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Prüfstände
Messeinrichtungen
Rehologie
Drehmomentsensoren im Automobil eingebaut |
Steuerung, Regelung
Abgleich
Schraubtechnik
Funktionsüberprüfung
Rheologie
Prüfstände für Langzeittests
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Windkraftanlagen
Bohrturm
Stellantriebe
Landwirtschaft
Schiffe
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Wie man sieht, werden Drehmomentsensoren in allen Bereichen von der Ausbildung über die Produktentwicklung, Produktion, Qualitätssicherung bis zur Produktüberwachung eingesetzt. Selbst in der Landwirtschaft sind Drehmomentsensoren im Maschinenpark zu finden. Für den Rückführbarkeitsnachweis von Messungen werden immer mehr Referenzdrehmomentsensoren eingesetzt, um direkt vor Ort die Produktionsmittel überprüfen zu können.
- Grundaufbau für Motorprüfstand
4.1 Einsatzfall Motorprüfstand
Bei Motoren und angetriebenen Handwerkzeugen wird zur Überprüfung ein Drehmomentaufnehmer und eine Belastungseinheit benötigt. Dort werden die mittleren Leistungsdaten im kontinuierlichen Betrieb aufgenommen. Diese Daten geben Aufschluss über die richtige Funktion der Einzelteile, zum Beispiel über die ordnungsgemäße Beteiligung der Pole im Elektromotor. Es lassen sich aber auch durch dynamische Belastung Informationen über Regeleigenschaften des Antriebes bestimmen.
- Schaltschrank
- Prüfstand für Elektromotoren
4.1.1 Einsatzfall Prüfstand für Verbrennungsmotor
- Drehmomentsensor mit angekuppelter Gelenkwelle
Hier wird der Sensor direkt an die Bremse gekuppelt. Die Ankupplung des Verbrennungsmotors erfolgt über eine Gelenkwelle. Dadurch wird die Ausrichtung des Prüflings wesentlich vereinfacht. Weiter werden die Schwingungen des Motors nicht so stark auf den Sensor übertragen. Wie man erkennen kann, ist aus Sicherheitsgründen um den Sensor und die Gelenkwelle ein Berst- und Berührungsschutz angebracht, der natürlich im Betrieb von oben geschlossen wird.
- Prüfstand für Verbrennungsmotor
5. Zukunft der Drehmomentsensoren
Die DMS-Technik wird in Zukunft die tragende Kraft bei den Drehmomentsensoren sein. Durch die immer kleiner und elektrisch stabiler werdenden Elektroniken können die Sensoren auf immer höhere Federkonstanten ausgelegt werden, was zu einer verbesserten Dynamik der Messung führt. Dies wird dadurch erreicht, dass bei gleicher Messgenauigkeit die Messsignale durch die höhere elektrische Stabilität der Messverstärker immer kleiner werden können.
Andererseits kann aber auch die verbesserte Messsignalverarbeitung auch für eine höhere Genauigkeit der Messanordnung verwendet werden.
Die Zukunft gehört ebenfalls dem intelligenten Sensor mit abgespeicherten messtechnischen Daten, wodurch die Messungen immer sicherer werden und die Daten für die Qualitätssicherung direkt aus dem Sensor abrufbar sind.